Bericht über die Studientagung zu 60jährigen Jubiläum der Predigerschule Erfurt
von Andreas Eichler.
Es war ein sonniger Spätherbsttag wo man sich aus den verschiedensten Himmelsrichtungen aufmachte, um miteinander zu feiern: 60jähriges Bestehen der Predigerschule Wittenberg- Erfurt.
Zu Fuß vom Bahnhof über den Anger, vorbei an der Lorenzkirche durch die Gassen, die Krämerbrücke mit ihrem bunten Treiben, und schon stand ich wie früher an der Pforte zum Augustinerkloster. Nun wir waren diesmal Herbergsgäste, keine Studenten mehr. Was vor 20 Jahren noch Ruine war ist nun Bauplatz für neue Gebäude und neuer offizieller Zugang von der Comthurgasse aus.
Im Propsteihof trafen wir uns zum Kaffee. Ein massives Glasdach überdeckte den ehrwürdigen Innenhof als Mensa. Den Kuchen gab’s nach Zuteilung. Erinnerung an das Essen früher, das gute zu Frau Ammers Zeiten. Wenn man sich 20 Jahre nicht gesehen hat verblassen die Erinnerungen, doch plötzlich ein Strahlen über das Gesicht, ja Du bist es, wie geht’s, wo bist Du jetzt etc. Andere wieder haben sich gar nicht groß verändert, besonders die Dozenten. Gut sahen sie aus und nur noch an das Gute, Wertvolle erinnerte ich mich.
Die erlauchte Gesellschaft traf sich zur Sitzung des Predigerschulvereins im Wittenbergraum, dem ehemaligen Speisesaal der Schule. Zeitungsausschnitte lagen aus von Ereignissen, Anzeigen von Verstorbenen Ehemaligen. Wir gedachten ihrer still. Geschichten vom Beginn in Wittenberg wurden laut, kein fließendes Wasser damals, gelobt wurde das gemeinsame Leben an der Schule dort. Auch wir erinnerten uns gern an diese Zeiten unter dem Dach am Kreuz- und Laubengang des Augustinerklosters.
Gleich zu Beginn der Sitzung wurde die solide Vorbereitung des Jubiläums gelobt und die neue Website vorgestellt. Ein schönes repräsentatives Stück virtueller Geschichte und Möglichkeit zur Beziehungspflege. Weitere Ideen wurden dazu beigetragen.
Besonderes Anliegen des Vereins ist es, einzutreten für eine solide theologische Ausbildung über den zweiten Bildungsweg, … vielleicht auch wieder an historischer Stätte.
Gedanken zum Treffen 2009, zwanzig Jahre Wende sollten wir nicht vergessen. Wen wollen wir erreichen, die Öffentlichkeit oder wollen wir entsprechend unserer Zielsetzung, solide theologisch arbeiten, Luther mit heranziehen? Das eine nicht ohne das andere. Auf jeden Fall sollten wir wert auf Qualität legen.
Am Abend im Klosterkeller. Pfarrer Lobers erinnerte sich an den Gedenkstein, der ihm von seinen dankbaren Studenten im Klostergarten gesetzt wurde. Es gab viel zu erzählen, von Petersburg und den Studenten dort, der Herausforderung, ihnen eine gute theologische Ausbildung mitzugeben im Wirrwarr der schillernden Erkenntnisse die seit der Perestrojka ins Land gespült wurden und Absolventen dort im Land zu halten, wo sie dringend gebraucht werden.
Dr. Hans-Joachim Kittel sprach von Veränderung der Erkenntnisse über die Tradierung von AT-Texten, Mose, die Profeten. Wir erinnerten uns an Frau Dr. Flesseman, die damals unser Denken revolutionierte. Beeindruckt war ich, wie Glauben trotz allem Zweifeln und neuen Erkenntnissen, ja vielleicht gerade deshalb Ruhe und Gelassenheit zum Vorschein brachte.
Es gab aber auch Zeit für Witze, Möglichkeiten und Unmöglichkeiten aus dem Pfarralltag. Wir erzählten uns vom Leben mancher ehemaliger Kommilitonen, was aus ihnen wurde und was nicht. Im Klosterkeller wurde es still. Erfurt bei Nacht war sehenswert, lichtdurchflutet glänzte der milde Spätherbst und rief so manche schöne Erinnerung wach.
Das komfortable Nachtlager erinnerte nur wenig an das Studentenleben im Kloster, geschweige an das Klosterleben der Augustinermönche. Ein Frühstückbuffet unter dem bombensicheren Stahlglasbaldachin war ein angenehmer Start für den Tag, aber nicht zu übertreffen mit dem Folgenden:
Unter dem Kreuzgang ging’s an heilige Stätte, dort wo Martin Luther seine erste Messe zelebrierte und wir damals täglich zum Mittagsgebet zusammenkamen: Hagios Ho Theos klang es sogleich in mir. Da standen wir, alt, ganz alt und älter. Leicht sang man zu den Chorälen die zweite Stimme bei der Akustik im hohen Chorraum der Klosterkirche. Ein Wort von Pfr. Michael Schünke aus dem Deuterojesaja, wie eine Posaune soll meine Predigt sein, klar und unmissverständlich, herausfordernd und wegweisend. “Laudate omnes gentes” brach sich am weiß gekalkten Gemäuer und verhallte im Kirchenschiff, Sonnenstrahlen spielten durch die bunten Chorfenster.
Im Festsaal, nein Luthersaal heißt er heute, - dessen durch manchen Streich geschundene Namensbüste uns am Eingang begrüßte – traf sich die Jubiläumsgemeinde.
Jetzt wurde wissenschaftlich referiert und nachgedacht. Es war ein Genuss, den kompakten und klar definierten Aussagen der Referenten zu lauschen. Pfarrer Lippold, letzter Rektor der Predigerschule eröffnete die Tagung zum Thema Theologische Ausbildung zum Pfarrdienst.
Bereits für die erste Ausbildungsphase wurde ein geistliches Gemeinschaftsleben als wesentlicher notwendiger Bestandteil der Ausbildung aufgezeigt. Defizite wie Bibelkenntnis, Bibelkunde, sinngemäßes Lesen wurden selbstkritisch erkannt.
Offener Austausch zwischen Studenten und Dozenten wurde empfohlen: Was will der Student und was bietet die Ausbildung am Ende des Studiums an. Es ging um den Umgang mit modernen Medien und den Einsatz funktionskompetenter Leute, z.B. wenn ein Biologe mal eine Predigt über das Leben schreibt. Die Frage wurde gestellt, ob denn Predigerschüler besser im Pfarramt sind, als Absolventen der Uni? Auf jeden Fall sind sie nicht schlechter.
Kaffeepausen sind dabei wieder willkommene Gelegenheiten, von dem einen oder anderen wieder etwas Näheres, Neues, Nachdenkliches zu erfahren. Wie reich ist das Leben mit all diesen unterschiedlichen Geschichten.
Ausklang des Nachmittages war eine beherzte Podiumsdiskussion zum Thema am eigenen Beispiel der Predigerschule. Dankbar wurden die optimalen Studienbedingungen, die Nähe zu den Dozenten, die seminaristische Ausbildung mit Praxisbezug, die Alltagserfahrung der Studenten durch Beruf und Familie aufgezeigt. Kostbar waren die Bibelkunde und das Auswendiglernen von Bibelversen. Ein Mangel wurde in guter Dogmatik und Sprachausbildung gesehen. Sollte in der Ausbildung mehr noch auf gesellschaftliche Fragen eingegangen werden, damit im Pfarrberuf auch mehr auf die Gesellschaft eingegangen werden kann? Zu DDR Zeiten war dies leichter, heute wird dies als vielschichtiger erlebt. Hilfreich sind hierzu natürlich Dozenten, die selbst im gesellschaftlichen Leben stehen.
Das gemeinsame Leben, wie gemeinsam es auch war im Augustinerkloster, war ein wesentlicher Aspekt der Ausbildung. Der Ort wurde wie ein Schutzraum, eine Oase erlebt. Da man sich täglich erlebte, lernte man einander respektieren. Toleranz hieß dann: “Ich weiß zwar, dass du verloren gehst, aber du bist ein netter Kerl.”(Ammer) Die Nähe zu den Dozenten wirkte sich auch im Ausräumen des Kühlschrankes aus, räumte der ehemalige Alt-Rektor noch ein. Früher gab es jeden Morgen STILLE ZEIT und die erste Stunde war Bibelarbeit, später wurde daraus das Mittagsgebet mit Andacht. Abschließend nahmen wir alle die Frage mit: Welches Pfarrerbild habe ich von mir selbst?
Teil dieser Ausbildung gewesen zu sein, macht dankbar und auch stolz. Pfr. Pappe merkte an: “Je länger je mehr konnte ich in der Praxiserfahrung des Pfarramtes zurückgreifen auf die Ausbildung an der Predigerschule. Die Fundamente, die da gelegt wurden waren nicht brüchig, sie waren gut. |