Predigerschule
Die Ausbildung an der Evangelischen Predigerschule der Kirchenprovinz Sachsen in Wittenberg und Erfurt 1948 – 1993
Text von Dr. Hans-Joachim Kittel finden Sie [ hier ]
Evangelische Predigerschule im Augustinerkloster
Auszug aus dem Buch "Und in ihr lebt der Glaube" St. Benno Verlag 1992
Vor mir liegt ein Exemplar des „Thüringer Tageblattes“ vom 12. November 1988. Ich lese: „40 Jahre Predigerschule 1948 – 1988“, und ich sehe den Weg von Wittenberg nach Erfurt bildlich dargestellt. In den Wirren der Nachkriegszeit hat Propst Dr. Staemmler in Wittenberg mit der Ausbildung von Männern zum Dienst im Pfarramt begonnen. Inzwischen sind längst auch Frauen als Studierende in der Schule und haben das Examen bestanden.1960 ist die Predigerschule von Wittenberg in das Augustinerkloster nach Erfurt umgezogen, weil dort der Platz zu eng geworden war, hier aber genügend Raum zur Verfügung stand. Über 300 Absolventen der Predigerschule sind bis heute in den Dienst der evangelischen Landeskirchen in der ehemaligen DDR gegangen und darüber hinaus. Es gibt wohl kaum einen Kirchenkreis in unserem Land, in dem nicht wenigstens ein ehemaliger Absolvent der Predigerschule in Wittenberg oder Erfurt im Pfarrdienst eingesetzt ist. Vor mir liegen die Berichte von dem 10jährigen, dem 20jährigen, dem 30jährigen und auch dem 40jährigen Jubiläum der Schule – eine bewegende Lektüre.
Zwei Einschnitte im Leben der Schule aus diesen Jahren will ich hervorheben: Der erste Einschnitt ist schon erwähnt – der Umzug nach Erfurt. Damit hatte Erfurt eine evangelisch-theologische Ausbildungsstätte. Die Arbeit des Lehrens und Lernens musste über Jahre hin mit den Rekonstruktionsarbeiten im Augustinerkloster koordiniert werden. Der Unterricht fand in Gemeindehäusern statt, die Studenten wohnten sehr beengt. Nach dem Abschluss der Rekonstruktion im Augustinerkloster verfügt die Predigerschule über gute Arbeitsbedingungen. Die Atmosphäre, die das wiedererstandene Kloster in seinen Räumen ausstrahlt, wirkt sich auch auf die Arbeit und das Leben der Schule aus. Ist es doch immer ein Anliegen der Predigerschulausbildung gewesen, das Studium der Theologie mit dem gemeinschaftlichen Leben von Studierenden und Dozenten zu verbinden. Gemeinsame tägliche Andachten gehören zum Leben in der Schule. In jeder zweiten Woche, jeweils zu Beginn einer neuen Unterrichtsdekade, feiert die Schulgemeinschaft das Heilige Abendmahl. Studienfahrten und Ausflüge wollen auch der Gestaltung des gemeinsamen Lebens dienen. Ein zweiter Einschnitt in der Geschichte der Predigerschule war mit der „Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Prediger“ im Jahre 1978 gegeben. Sie ist Basis der Ausbildung, wie sie heute in der Predigerschule geschieht.
Drei Säulen sind es, die die Ausbildung tragen. Die erste Säule ist ein gutes theologisch- wissenschaftliches Niveau in der Ausbildung. Die zweite Säule ist der praktische Bezug auf die spätere Arbeit in der Kirchengemeinde, er ist für die Ausbildung in allen Bereichen des Unterrichts maßgebend. So beginnt die Ausbildung mit der ganzen Breite aller theologischen, humanwissenschaftlichen und praktischen Fächer. In den Ausbildungsgang sind Praktika eingebaut. Und in unserer Predigerschule ist die Ausbildung geprägt von dem profilgebenden gemeindepädagogischen Akzent; das ist die Besonderheit unserer Ausbildungsstätte. Der gemeindepädagogische Bereich erhält im Rahmen aller pfarramtlichen Dienste so schon in der Ausbildung den notwendigen Platz.
Die dritte Grundlage unseres Ausbildungskonzeptes, das gemeinsame Leben und die geistliche Prägung, hat sich im Frühjahrsemester 1990 durch einen Rahmen für die Ausbildung Zustimmung verschafft. Dieser Rahmen ist vom Gedanken der Lerngemeinschaft aller, die an der Ausbildung Anteil haben, bestimmt. Die Lerngemeinschaft muss freilich immer wieder neu gestaltet und gewonnen werden; Papier allein bringt hier gar nichts zustande, wenn nicht der Geist Gottes unser Arbeiten und Leben bestimmt. Hier gilt: Nicht dass wir es schon ergriffen hätten, aber wir bemühen uns darum.
Unser Angebot will auch weiterhin Menschen, Frauen und Männer, ansprechen, die aus dem Beruf kommen und auf einem zweiten Bildungsweg sich auf die Arbeit im Pfarramt vorbereiten wollen.
Unsere Bewerber sind zwischen 21 und 40 Jahre alt. Voraussetzung ist die klare Entscheidung für den kirchlichen Dienst. Zur Ausbildung gehört das Erlernen des neutestamentlichen Griechisch wie in den theologischen Hochschulausbildungen auch. Wir wollen das biblisch-theologische, praktische und humanwissenschaftliche „Handwerkszeug“ für die Arbeit in unseren Kirchen vermitteln, wir wollen den theologischen Grund legen, auf dem jeder in seiner Gemeinde weiterbauen kann. Auch in Zukunft, so hoffen wir, wird es nicht an Menschen fehlen, die diesen Weg als Lernende und Lehrende gehen wollen.
Dr. Hans-Joachim Kittel
(verstorben am 4.April 2021)
|